Freies Clickern

Lernen

Die grundsätzliche Fähigkeit, etwas zu lernen, ist jedem Lebewesen gegeben. Sie sicherte ursprünglich einmal das Überleben in der Natur, macht aber auch heute noch Weiterentwicklung und Anpassung an die Umwelt überhaupt möglich.

Auch im Zusammensein mit unserem Hund bauen wir ständig auf dessen Fähigkeit zu lernen und Gelerntes abrufen zu können.

 

Gelernt werden kann auf verschiedene Art und Weise:

  • durch Zuschauen (wie macht es der andere?)
  • durch Ausprobieren (wie komme ich zum Erfolg?)
  • durch Hemmung (wie kann ich unangenehmen Einwirkungen entgehen?)
  • durch Entzug (wie bekomme ich das Gewünschte?)
  • durch Belohnung (was muss ich tun, um mehr davon zu bekommen?)
  • durch Schmerz / negative Erfahrung (was ist tabu?)

Je nach Bereich (Alltag, Erziehung, Ausbildung) bewege ich mich mit meinem Hund in einem dieser Lernbereiche.

 

Positive Verstärkung im Training

Durch positive Verstärkung kann ich meinen Hund dazu bringen, Ansatzverhalten oder selten auftretendes Verhalten öfter und schließlich ganz gezielt zu zeigen. Der Hund hat Spaß am Training, das wiederum zeigt er auch ganz deutlich in seinem Auftreten und seiner Ausstrahlung. Der Hund wird zudem motivierter und freudiger mitarbeiten.

Training bzw. Ausbildung PRO HUND bedeutet außerdem, den Hund als Team-Partner zu sehen, ihm fair die Chance zu geben, sich einzubringen, zu wachsen an gemeinsamen Aufgaben, Spaß und Erfolgserlebnisse zu haben… Moderne Hundeausbildung heißt außerdem, den Hund individuell zu fördern, Stärken und Schwächen zu erkennen und dementsprechend Aufgaben anzupassen. - Hier setzt das Clickertraining an.

 

Primärer oder sekundärer Verstärker

Es gibt folgende zwei positive Verstärker, die ein Verhalten öfter zeigen lassen:

- PRIMÄRE VERSTÄRKER wirken direkt auf die Bedürfnisse des Hundes und sind eine DIREKTE Belohnung für ihn -> Futter, Spiel, Aufmerksamkeit, …

Beispiel: Ich führe ein Leckerchen über den Kopf des Welpen nach oben / hinten, dieser plumst auf sein Hinterteil, dafür bekommt er das Leckerchen (späteres Hinsetzen auf Kommando) -> der Welpe wird sich nach häufiger Wiederholung immer schneller immer öfter hinsetzen (dieses Verhalten also verstärkt zeigen) um an ein Leckerchen zu kommen.

- SEKUNDÄRE VERSTÄRKER wirken nicht direkt auf die Bedürfnisse des Hundes, gelten aber als Versprechen auf primäre Verstärker -> kündigen also an, dass Futter, Spiel, etc. unmittelbar folgen werden.

Beispiel: Der Hund hört das (Click-)Geräusch oder ein sog. Markerwort, weiß dadurch, dass sein soeben gezeigtes Verhalten das gewünschte war und wird dafür (zeitverzögert) belohnt.

WICHTIG: Sekundäre Verstärker müssen immer erst konditioniert werden!!! Sie sind nicht angeboren -> der Hund muss also den Clicker, ein anderes Geräusch oder aber Markerwörter erst einmal direkt mit einem primären Verstärker positiv verknüpfen!!!

 

Vorteile des Clickers

  • punktuelle und zeitlich sehr genaue Bestätigung / genaue „Markierung“ eines richtigen Verhaltens möglich
  • Überbrückung der Zeit zwischen Bestätigung („Markierung“) für gewünschtes Verhalten und der Gabe der Belohnung (Futter, etc.) möglich / größerer Abstand zwischen Hund und Mensch kann überbrückt werden
  • unverwechselbares, immer gleiches Geräusch, das dem Hund sagt: Genau das, was Du gerade in diesem Moment getan hast, war richtig und ist eine Belohnung wert
  • durch diese klare Kommunikationsart wird der Hund aufmerksamer und lernwilliger, da seine Erfolgschancen und die damit verbundene Anerkennung durch den Hundeführer größer werden

 

Unterschiedlicher Gebrauch des Clickers

Im Großen und Ganzen gibt es zwei Einsatzgebiete des Clickers: Zum einen kann im Alltag und / oder der Ausbildung beigebrachtes bzw. erwünschtes Verhalten abgeclickt, dann belohnt und so verstärkt und ausgebaut werden. Zum anderen kann der Clicker dazu verwendet werden, dass der Hund sich selbst (vom Hundeführer vorher ausgedachte) (oder auch eigene kreative) Aufgaben erarbeitet -> das nennt man „Freies Formen“ („Shaping“) und genau damit wollen wir uns hier beschäftigen!

 

 

Vorteile des „Freien Formens“ („Shapings“)

  • der Hund entwickelt Eigeninitiative, wird aktiver, bringt sich mehr ein und versucht, selbst Lösungen für ihm gestellte Aufgaben zu finden
  • der Hund wird „schlauer“ (-> „Gehirnjogging“) und selbstbewusster, da er selbst aktiv etwas bewirken und erreichen kann
  • Probleme oder Irrtümer bringen den Hund weniger in Hemmung und / oder „aus der Fassung“, da er trainiert wird, sich Lösungswege zu erarbeiten, nicht „aufzugeben“ und andere Ansätze ebenfalls in Betracht zu ziehen („Horizont-Erweiterung“)
  • Übungen, die der Hund sich selbst erarbeitet hat, bleiben länger und sicherer (auch unter Ablenkung oder im Stress) im Gedächtnis
  • es wird keinerlei Druck und / oder Erwartung auf den Hund ausgeübt - er arbeitet freiwillig, in seinem individuellen Tempo und dadurch entspannt und freudig
  • ein Clicker-erfahrener Hund lernt insgesamt schneller, denkt mit, bringt sich allgemein mehr ein, denn er WILL lernen, ist also höchst motiviert

 

Wichtig für den Menschen

  • die Beobachtungsgabe und das „Einfühlungsvermögen“ wird geschult („den Hund nicht beobachten ist wie dem Partner nicht zuhören“)
  • Optimierung des eigenen (Click-)Timings
  • sich selbst zurück nehmen / passiv sein / „den Hund machen lassen“ und ihn dadurch von einer ganz neuen Seite kennen lernen (Schwächen und Stärken erkennen, den Hund „lesen“ und besser einschätzen und in der Folge optimal fördern zu lernen)
  • sich auf das Tempo des Hundes und seinen „gegenwärtigen Geisteszustand“ einlassen lernen / Erwartungen abschütteln / Gelassenheit fühlen und ausstrahlen -> ein angenehmes Arbeitsklima schaffen für Mensch und Tier

 

Basis-Konditionierung auf den Clicker in 3 Schritten

Man braucht: einen eigenen Clicker, viele tolle kleine Leckerchen in einer Tüte, Tasche, Dose,… und eine Abstellmöglichkeit für die Leckerchen.

Ich empfehle zudem, sich selbst auf einen Stuhl o.ä. zu setzen um so von Anfang an eher „auf Augenhöhe“ zu agieren und zudem eher in eine passive Rolle zu schlüpfen.

 

1) Mehrere Leckerchen werden in die Hand genommen. In der anderen Hand befindet sich der Clicker. Beide Hände werden vor den Hund gehalten. Das Click-Signal kommt im ersten Schritt nur minimal vor der Gabe des Leckerchens -> die eine Hand clickt also, die andere Hand reicht unmittelbar nach dem Click ein Leckerchen. WICHTIG: Es kommt also erst der Click, unmittelbar danach wird ein Leckerchen gereicht!

 

2) Mehrere Leckerchen werden in die Hand genommen, die Hand kann z.B. hinter den Rücken o.ä. (also weiter weg vom Hund) gehalten werden. In der anderen Hand befindet sich wieder der Clicker. Der zeitliche Abstand zwischen Click und Futtergabe ist jetzt bereits minimal größer, da das Leckerchen von weiter weg dem Hund gereicht wird. ALSO: Es kommt das Click-Signal, direkt danach bewegt sich die Hand mit den Leckerchen zum Hund und reicht ihm eines. Der Click ist jetzt ganz deutlich vor der Belohnung zu hören!

 

3) Es werden keine Leckerchen mehr in die Hand genommen, eine Hand ist also leer. Die Leckerchen liegen neben einem griffbereit auf einer Abstellmöglichkeit in einer Tüte, Dose, o.ä.. In einer Hand befindet sich natürlich der Clicker. Das Zeitfenster zwischen Click und Bestätigung wird nun dahingehend ausgedehnt, dass erst geclickt und erst dann zu den Leckerchen gelangt und dem Hund eines gereicht wird. WICHTIG: Erst das Click- Signal und dann ohne Hektik, aber unmittelbar, zu den Leckerchen greifen und dem Hund eines geben!

(Diese Aufstellung ist übrigens die Ausgangs-Position für nahezu jede später folgende Clicker-Einheit)

 

Jeder dieser Schritte wird (je nach Hund und Umfeld) 10 - 30 Mal wiederholt, bevor zum nächsten Schritt übergegangen werden kann.

 

WICHTIG: Nach jedem Click folgt immer auch eine Belohnung!

 

Test

Ob die Konditionierung abgeschlossen ist und in das „Freie Clickern“ eingestiegen werden kann, zeigt folgender Test:

Ich warte auf einen Moment, in dem der Hund irgendwo anders hin schaut (nicht zu mir oder zum Futter) und betätige nun den Clicker.

Schaut der Hund mich sofort erwartungsvoll an und wartet auf sein Leckerchen, hat er das Clicken als Versprechen / Ankündigung auf Futter verstanden - wir können mit dem „Freien Clickern“ loslegen! :-)

Zeigt der Hund jedoch keine Reaktion auf das Click-Geräusch, schaut weiter in der Gegend umher und ist abgelenkt, dann hat er den Click noch nicht mit dem Futter verknüpft, die Konditionierung ist also noch nicht abgeschlossen (-> zurück zu der Basis-Konditionierung in 3 Schritten!)

 

Sinnvolle erste Übungen

Die Entscheidung, welche Übung genau als erstes „frei geformt“ werden soll, hängt individuell vom Charakter und den Vorlieben und auch den bisherigen „Lernerfahrungen“ des Hundes ab.

Hier lohnt es sich, vorab gründlich nachzudenken… Denn: Das „Freie Clickern“ lebt gerade zu Beginn von Erfolgserlebnissen, also vielen Clicks und darauf folgende Belohnungen. Die erste Übung muss also für den Hund gut schaffbar sein, so dass er Freude am eigenständigen „Ideen entwickeln“ bekommt.

 

Beispiele:

  • für einen Hund, der die Futterdose oder seinen Menschen geradezu hypnotisiert (sich vielleicht auch stets in das Kommando „Schau“ rettet wenn ihm nichts anderes gesagt wird) könnte eine erste Clickerübung sein, den Blick woanders hin zu richten, also weg vom Menschen und / oder dem Futter zu schauen…
  • genau anders herum könnte aber für einen Hund, der sehr außenorientiert, hektisch, aufgedreht und unruhig ist, ein erstes Ziel sein, den Hundeführer anzuschauen…
  • Hunde, die gerne etwas mit ihren Pfoten tun, könnten als erste Übung den Pfotentarget lernen…
  • für Hunde, die ihre Pfoten nicht oder nur wenig einsetzen wollen, wäre diese Übung allerdings viel zu schwer am Anfang, diese könnten vielleicht mit einem Nasentarget beginnen…
  • usw.

 

Wichtig ist also, dass der Anspruch der Übungen erst mit zunehmender Clicker-Erfahrung steigt, so dass der Hund nicht überfordert wird und „aufgibt“! Was schwierig ist und was nicht, ist allerdings individuell bei jedem Hund unterschiedlich…

 

Wissenswertes

Grundsätzlich kann jedoch von Folgendem ausgegangen werden:

  • Übungen mit oder zumindest nah beim Menschen fallen dem Hund leichter (-> weg arbeiten vom Hundeführer ist also keine Anfängerübung!)
  • Übungen mit einem Gegenstand fallen den meisten Hunden leichter, da ihre natürliche Neugierde geweckt wird und sie sich automatisch dem Gegenstand zuwenden (-> Beispiel: Nasentarget)
  • Hunde denken normalerweise „nach vorne“, also alles, was sich vor ihnen abspielt, ist einfacher für sie zu „bedenken“ (-> Übungen unter oder hinter ihnen sind also was für Fortgeschrittene)

 

Wichtiges für die Praxis

Es ist sinnvoll, ein Signal / Ritual für Start und Ende einer jeden Shaping-Sitzung einzuführen. Dann weiß der Hund mit der Zeit, wann er gefordert ist, er also Eigeninitiative einzubringen hat, er kreativ sein darf und aktive Hilfe vom Menschen nicht zu erwarten ist.

 

Beispiele als Startsignal:

  • „Click click“ kombiniert mit einer Leckerchengabe
  • „Let’s fetz“ kombiniert mit dem Wegwerfen eines Leckerchens
  • „Wir clickern jetzt - lass’ Dir was einfallen“ kombiniert mit dem   demonstrativen Hinsetzen auf einen Stuhl o.ä.

Beispiele zum Beenden der Sitzung:

  • Doppelclick, viele Leckerchen dafür auf den Boden legen, Signal „fertig“
  • Doppelclick, viele Leckerchen, sich zum Hund setzen - Streicheleinheiten, Signal „super, gut gemacht“

Weiterhin ist es wichtig, das letztliche Übungsziel zwar im Hinterkopf zu haben, allerdings den Weg dorthin als das eigentliche Ziel anzuerkennen. D.h. Ansatzverhalten einzufangen (also zu beclicken) und jeden kleinen Teilschritt in Richtung des Ziels zu verstärken.

DER WEG IST DAS ZIEL!

 

Jeglicher negativer Kommentar ist während der Shaping-Sitzung zu unterlassen, und sei es auch nur ein Kopfschütteln, ein genervter Seufzer o.ä.. Ruhe und Geduld sowie neutrales Verhalten sind gefragt. Der Mensch ist hier wirklich nur passiver Beobachter, der Hund aktiv und im Mittelpunkt.

 

Gehemmten oder sehr unsicheren Hunden kann nach dem Click und während der Futtergabe allerdings ein aufmunterndes „Super“ o.ä. helfen, sich weiter einzubringen…

 

Geduld und Verständnis sind wichtig. Zu reflektieren, was man selbst gerade getan hat und das dann bewusst zu wiederholen und sogar weiter auszubauen, fällt auch uns Menschen nicht leicht (siehe Trockenübungen zum Clickern). Da geht es unseren Hunden nicht anders als uns. Es dauert ein wenig, bis sie diese Fähigkeit besitzen und anwenden können!

 

Jede Shaping-Sitzung sollte möglichst mit einem Doppelclick / Jackpot enden und am Anfang nicht länger als  ca. 3 Minuten dauern (-> denken ist anstrengend und macht müde!)

 

Es ist wichtig, immer nur eine Übung zu clickern (zumindest zu Beginn), der Hund würde sonst verwirrt werden. Später mit mehr Clicker-Erfahrung kann z.B. an unterschiedlichen Orten auch unterschiedliches Verhalten beclickert werden…

 

Es kann sinnvoll sein, eine Art Clicker-Tagebuch zu führen (siehe Anhang), in dem alles Wichtige notiert wird, so dass Veränderungen im Verhalten des Hundes, Fort- oder Rückschritte analysiert und so gegebenenfalls Umstände zum Positiven hin verändert werden können.

 

Was kann ich mit dem Gelernten anfangen?

Ob die Clickerübungen „nur“ ohne tieferen Sinn und eben als kreatives Betätigen / Beschäftigen des Hundes angesehen werden oder ob daraus später einmal konkrete Übungen für Ausbildung und Hundesport werden sollen, bleibt jedem selbst überlassen.

 

Jedoch hat sich gezeigt, dass der eigene Ehrgeiz dann umso besser im Zaum gehalten werden kann, wenn nicht im Hinterkopf eine „wichtige“ Übungen, die mit Punkten bewertet wird, steht, sondern das „Freie Formen“ wirklich losgelöst von Erwartungen, Druck, Stress, Kommandos, etc. durchgeführt wird.